«Guet Holz!»
125 Jahre Kegelclub 1895 Baar
«Eine glückliche Fügung führte Ende Juli, Anfang August im Jahre 1895 einige Freunde des Kegelsports […] zusammen.» So lautet die erste Eintragung im ersten Protokollbuch des Kegelclubs 1895 Baar. In jenem Protokollbuch, in dem auch die Originalstatuten in akkurater Handschrift festgehalten sind, gefolgt von den Unterschriften der Gründungsmitglieder. 125 Jahre später, am 20. August 2020, feierten die neun Mitglieder das 125-Jahr-Jubiläum des legendären Kegelclubs – ein who is who der Baarer Gesellschaft, Politik und Wirtschaft, ein exklusiver Männer-Klub, in dem nur mitmachen darf, wer angefragt und von allen Mitgliedern einstimmig aufgenommen wird, ein Verein, der sich wöchentlich zum Kegeln trifft, der Bussen erteilt, wenn jemand nicht oder zu spät erscheint, der einem guten Tropfen und einem edlen Essen nicht abgeneigt ist und der alle paar Jahre zu ausgedehnten Reisen im In- und Ausland aufbricht.
Das alles tönt nach einem exklusiven Zirkel, der sich nur ungern in die Karten blicken lässt. Doch der Eindruck täuscht: Der derzeitige Clubpräsident Marcel Feuchter gibt gerne und mit einer Portion Stolz Auskunft über «seinen» Verein. Die Kegelfreunde sind gesellige Menschen und sie haben die Vereinsgeschichte hervorragend dokumentiert. Es gibt wohl nur wenige Vereine, deren Unterlagen derart lückenlos erhalten sind. Im Gemeindearchiv finden sich mehrere Schachteln mit Protokollbüchern, Reiseberichten, Fotoalben, Postkarten oder Briefverkehr. Die Dokumente zeugen von einer aussergewöhnlichen Vereinstradition, die bis zum heutigen Tag gelebt wird. So sind die Originalstatuten aus dem Jahr 1895 nach wie vor gültig. Einzig die Mitgliederbeiträge sowie das Einsatz- und Bussensystem fürs Kegeln wurden angepasst.
Gehen wir zurück ins Jahr 1895 zur Gründung des Kegelclubs. Dafür, dass der Verein sich heute stark auf seine Verbundenheit zu Baar beruft und mit wenigen Ausnahmen nur Baarer aufnimmt, war seine Geburtsstunde erstaunlich «unbaarerisch». Gründungsväter des Vereins waren Jakob und Josef L. Messing. Die beiden deutschen Ingenieure waren wegen des Baus des Albistunnels nach Baar gekommen. 1903 kehrten sie Baar und dem Kegelclub den Rücken. Mit Spulenfabrikant Julius Meyer, Jakob Haab oder Adolf Hotz waren aber schon damals auch prominente Baarer mit dabei. Sie sollten den Verein in den ersten Jahren prägen.
Auch wenn es im Kegelclub primär ums Kegeln geht, gehörten und gehören die Reisen zu den Höhepunkten des Vereinsgeschehens. Und sie zeigen gerade in den frühen Jahren, dass nur besser Betuchte Mitglied im Kegelclub waren. So reiste die Männergesellschaft vom 1. bis 5. Juni 1904 nach München, Herrenchiemsee und Innsbruck. Für den Trip wurde eigens eine «Reise-Ordnung» erstellt und gedruckt. Über acht Stunden dauerte die Fahrt mit Zug und Schiff in die Bayern-Metropole. Nach dem Nachtessen im Hotel «Rother Hahn» waren «Terrain-Recognoscierung» sowie «Patrouilleren auf Vorposten» angesagt. Um Mitternacht schliesslich hiess es «Auslöschen der Lagerfeuer». Die vier Reisetage waren fein säuberlich durchgeplant, nichts wurde dem Zufall überlassen. Auch für die Reise nach Köln, Frankfurt, Heidelberg und Karlsruhe drei Jahre später erhielten die Mitglieder eine gedruckte Reise-Ordnung. Später führten die Reisen nach Südfrankreich, Irland, Spanien und Portugal, in die Ukraine oder gar bis nach Ägypten. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind diese mehrtägigen Trips textlich zum Teil im «Zugerbieter» und fotografisch ausführlich dokumentiert. In den Fotoalben finden sich Bilder von Chary Hotz beim Tanz mit einer ägyptischen Bauchtänzerin oder von Nackedeis an den Stränden Südfrankreichs. Auffallend ist, dass die Kegelfreunde fast immer mit Hemd und Krawatte zu sehen sind – auch am Sandstrand. Fehlende Krawatten sollten im Club noch für Aufruhr sorgen. Doch davon später mehr.
Ausflüge wurden und werden auch innerhalb der Landesgrenzen unternommen. Oftmals findet die Generalversammlung ausserhalb der Zuger Kantonsgrenzen statt. Von der Reise zum Wildkirchli im Jahr 1908 sind die ersten Fotos erhalten.
Auch die Fahrten nach Linthal und Stechelberg (1909), Lütschinen (1910), Muottas Muragl (1914), in die Aareschlucht (1915) und nach Brissago (1920) sind fotografisch dokumentiert. 1915 posierten die Clubmitglieder mit ihren Autos – zu einer Zeit, als diese in Baar noch an einer Hand abzuzählen waren. In den Protokollbüchern tauchen die vierrädrigen Untersätze bereits im Jahr 1912 erstmals auf. Damals waren die Vereinsmitglieder mit den Karossen der Herren Heinrich Henggeler und Christian Buck im Kanton St. Gallen unterwegs. Auf ihrer Spritztour fuhr die Baarer Delegation einen Hund an. 1913 wurde im Protokollbuch Heinrich Henggeler «für die Bezahlung der Gerichtskosten in Altstätten für den überfahrenen, aber nicht getöteten Hund anlässlich der Automobiltour im Jahre 1912 nach Balgach» gedankt.
Auch während des Ersten Weltkriegs frönten die Baarer Kegler dem schönen Leben. So vergnügte sich der Kegelclub 1915 auf einer feuchtfröhlichen Schlittenfahrt über Cham, Rotkreuz, Buonas, Küssnacht, Arth und Walchwil, wo im Sternen gespiesen und Orchestermusik genossen wurde. Lustig ging es auch an einem Abend im Restaurant Kollermühle zu und her, an dem ein Wein mit Jahrgang 1896 kredenzt wurde. Unbehelligt von den Kriegswirren blieben die Kegelfreunde aber nicht. So wurden – einmalig in der Geschichte des Vereins – für die Zeit von Anfang August bis Ende September 1914 die Bussengelder erlassen, da wegen der Mobilmachung zahlreiche Mitglieder den Vereinspflichten nicht nachkommen konnten. In den letzten beiden Kriegsjahren war der Kegelclub von den Ereignissen stärker betroffen. «Die Kasse ist kriegsgemäss d.h. etwas mager», heisst es im Protokoll der Generalversammlung vom 17. März 1917. Im Jahresbericht beschreibt Aktuar Jakob Haab die Kriegssituation: «Durch den scheusslichen Krieg ist die ganze Poesie unseres Klubs fast zum Teufel gegangen. Keine Klubreise, keine Kollermühlefahrt rein gar nichts war los. […] Hoffentlich bringt uns das neue Jahr den Frieden & mit ihm die alte lustige Fröhlichkeit.» Der Frieden sollte 1918 zwar Tatsache werden, die Spanische Grippe forderte aber auch das Leben eines Vereinsmitglieds. Heinrich Henggeler verstarb am 17. Oktober 1918. Hinzu kam eine missglückte Währungsspekulation. Der Versuch, das Vereinsvermögen auf diese Weise zu vergrössern, misslang gründlich. Der Club hatte 1919 kaum mehr Geld. Drei Jahre später war eine Reise nach Deutschland geplant, weshalb Deutsche Mark angekauft wurde. Auch dies ging offensichtlich schief: Die Reise konnte nicht stattfinden, weil die eben wieder etwas gefüllte Vereinskasse erneut leer war. Es blieb eine Spritztour mit Privatautos ins Wägital. 1924 hatte sich die finanzielle Situation entspannt. Der Kegelclub reiste für ein paar Tage ins Südtirol und nach Innsbruck.
In der Zwischenkriegszeit entwickelte sich der Kegelclub positiv – trotz einiger personellen Querelen. So gab es mehrere Austritte. Gerade noch sieben Mitglieder widmeten sich dem Kegelsport. Dem Clubleben tat dies keinen Abbruch. 1931 wurde der neu erstellte Landessender Beromünster besichtigt, 1932 führte ein Ausflug nach Brunnen. Auf dem Heimweg kehrte man im Sternen Walchwil ein, um «‹Benzin› zu fassen und allwo bei Musik & Gesang bis in die späten Abendstunden zu ‹tanken›». 1937 fuhr der Verein an den neu gebauten Sihlsee. Auch hier wurde offenbar tief ins Glas geschaut. Im Protokollbuch hofft der Berichterstatter, dass «alle Kegelbrüder gesund und munter das Schlüsselloch gefunden haben, was umso eher anzunehmen ist, als in der Folge keine Unglücksfälle und Verbrechen gemeldet worden sind».
Die Krisenstimmung in Europa und der drohende Krieg führten dazu, dass mehrere Clubmitglieder bereits 1938 ins Militär eingezogen wurden. Ein Besuch der Landesausstellung in Zürich im Jahr 1939 lag trotzdem drin. Der Klubjüngste Werner Schumacher holte sich im Landesausstellungskegeln mit 72 Punkten den Tagessieg. Seine Siegesplakette wurde zum Wanderpokal im Verein. Der Zahnarzt Schumacher – im Protokollbuch als «Kauwerkreparateur» und «Doktor der Fressologie» bezeichnet – war bekannt als Gourmet und zeichnete für viele Restauranttipps verantwortlich. Schumacher war aber auch eine charismatische Figur, die anecken konnte. So kam es immer wieder zu heftigen Disputen zwischen ihm und Werner Dossenbach, Bauchef und «Zugerbieter»-Herausgeber, die im Oktober 1967 in einem Austrittsschreiben von Werner Schumacher gipfelten. Seine Kegelfreunde nahmen den Rücktritt zur Kenntnis und antworteten per Brief: «Wir übersehen auch nicht, dass während dieser langen Zeit Deine scharf akzentuierte mit Gründlichkeit und Humor stark geprägte Persönlichkeit, wenngleich manchmal etwas schwieriges aber im Ganzen doch äusserst bemerkenswertes Kolorit in unseren Individualisten-Klub brachte. Unsere Erinnerung daran wird Dir den Glorienschein der Einmaligkeit nicht vorenthalten.» Dossenbach selbst war auch nicht unumstritten im Verein. Der vielseits engagierte Gemeinderat glänzte durch Abwesenheit. So heisst es 1976 im Jahresbericht des Präsidenten: «W. Dossenbach glänzte nach wie vor als 100%iger ‹Papierli-Kegler›». Zwei Jahre zuvor hatte Dossenbach seinen Austritt erklärt. Der Generationenkonflikt führe zu harten Konfrontationen. «Aus diesem Grunde dürfte eine Flurbereinigung mit meinem Austritt allgemeine Erleichterung bringen», schrieb Dossenbach. Der Austritt wurde nicht akzeptiert – wie bei vielen anderen auch. Dossenbach blieb wie die meisten Mitglieder dem Verein bis zum Tod treu.
Mit Schumacher und Dossenbach, mit Spinnerei-Direktor Alfred J. Fehr, Elektrizitätswerk-Verwalter Rudolf Strickler (dessen gleichnamiger Vater schon Mitglied im Kegelclub war), Architekt Alois Weber, Unternehmer August Gysi oder später Karl «Chary» Hotz und Fritz Baur waren in den 50er- und 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts prägende Persönlichkeiten Mitglied im Kegelclub 1895. Der Club schrieb damit die Tradition fort und blieb ein zwar kleiner, aber hochkarätig besetzter Verein. Alfred Fehr fasst die Bedeutung des Kegelclubs im Jahresbericht 1959 treffend zusammen: «Der Kegelklub 1895, 64 Jahre alt, ist ein Hort zur Pflege des Sportes und der Geselligkeit. Zuerst war er politisch nicht immer ganz neutral. Später streute er nur noch etwas Salz und Pfeffer in die Dorfpolitik. Heute ist er ein Bindeglied zur Erhaltung der dörflichen Gemeinschaft durch einige Prominente verschiedener Sparten. Man nimmt noch Anteil an den grossen und kleinen Ereignissen des Tags im Dorfe.»
Von Krisen war der Verein trotzdem nicht gefeit. Im Jahr 1966 – ein Jahr nach einer Griechenlandreise – diskutierten die Vereinsmitglieder über die Auflösung des Kegelclubs. Nur noch drei, vier Mitglieder trafen sich zum Kegeln. Doch wieder einmal schaffte der Club die Wende. 1967 durfte Präsident August Gysi senior feststellen, dass das Clubleben wieder rege und der Verein eine «Stätte solider Männerfreundschaft» sei. In diese Zeit fiel ein Ausflug auf den Bürgenstock und nach Luzern, der unter dem Titel «Krawatten-Affäre» in die Vereinsannalen einging. Am 6. Juli 1967 kehrte der Verein im Hotel Château Gütsch ein. Zwei Herren – vermutlich alt Spinnereidirektor Alfred J. Fehr und Bauunternehmer Alois Weber – waren in Sporthemden und ohne Krawatte unterwegs. Die beiden wurden vom Kellner gerügt und erhielten eine Krawatte zum Umbinden. Präsident August Gysi senior beklagte sich tags darauf per Brief beim Hotel: «Ich kann nicht glauben, dass dieses Vorgehen in Ihrem Sinne gelegen hat, denn als erfahrener Maître d’hôtel hätten Sie sicher mit einem Blick die Untadeligkeit der Gäste festgestellt und es nicht zugelassen, dass eine Rotznase von einem jungen Kellner eine Respektsperson zum Umbinden dieses an sich lächerlichen Kleidungsstückes veranlassen darf, besonders auch deshalb, weil ältere Leute dadurch in ihrem Wohlbefinden stark gehemmt werden. Ist es nicht ein Jammer, wenn man einer Gruppe gewichtiger Gäste mit solchen Dummheiten beinahe den Spass verdirbt!» Der Briefwechsel endete schliesslich versöhnlich.
75-Jahr-Feier 1970
Für Aufruhr sorgten im Jahr 1985 zwei Telegramme, die den Verein anlässlich der Generalversammlung in Ascona erreichten. Das erste Schreiben enthielt eine «Ansprache an die Herren»: «Wir Frauen in Baar sind sehr einsam und doch freuen wir uns, Sie auf Reisen zu wissen. Wir hüten das Heim, pflegen den Garten, putzen, kochen, waschen, und doch wäre es so schön, bei euch zu sein. Aber eben, Kegelbrüder wollen bekanntlich keine Schwestern! Geniessen Sie die Sonne, das gute Essen und den Wein sans ‹bouchon›.» Dazu kam ein zweites Telegramm mit weiteren Hinweisen. Im Tessin ging das Detektivspiel los, die Telefonleitungen Richtung Baar liefen heiss, um die Namen der Absenderinnen zu enthüllen. Der Wink mit dem Zaunpfahl nützte: Am 6. Juni 1986 fand mit einem Jahr Verspätung ein Essen zum 90-Jahr-Jubiläum des Klubs mit Frauen in der Krone Sihlbrugg statt. Zum ersten Mal seit 1970, als die Frauen zur 75-Jahr-Feier des Kegelclubs eingeladen waren, und erst zum dritten Mal überhaupt in der Clubgeschichte waren die Frauen an einem offiziellen Vereinsanlass mit von der Partie. Präsident August Gysi war der Ausschluss der Frauen im Jahr 1970 an der 75-Jahr-Feier gar eine Erwähnung in der Jubiläumsansprache wert. 3841 rein männliche Kegelabende habe der Verein seit dem 18. Januar 1896, als die Frauen zu einer «Christbaum + Fasnachtsfeier» im Hotel Rössli eingeladen waren, durchgeführt. «Dieser strenge Brauch hat sich bis auf unsere heutige prächtige Ausnahme bestens erhalten», so Gysi. Ein Antrag, die Frauen regelmässig zu Anlässen oder Reisen einzuladen, blieb 1986 chancenlos. Schon 1907 wurde ein Antrag abgelehnt, die Frauen auf eine Schweizerreise mitzunehmen. Junggeselle Karl Müller verlangte, «es möchte die Reise im Interesse der Verheirateten ohne ‹Gepäck› ausgeführt werden». An der 100-Jahr-Feier im Restaurant Löwen in Menzingen waren die Gattinnen aber wieder mit dabei.
Natürlich wird im Kegelclub auch tatsächlich gekegelt. Die Kegelfreunde treffen sich wöchentlich zum gemeinsamen Kugelschieben. Seit der Gründung wird nach denselben Regeln und dasselbe Programm gespielt. In der ersten Runde schiesst jeder Kegler fünf Mal zwei Schüsse, wobei jeweils der letzte doppelt gezählt wird. Wer mehr als 80 Punkte schafft, zahlt eine Ehrenrunde in Form eines Digestifs oder Weins. Wer weniger als 70 Punkte erzielt, zahlt für diesen sogenannten «Härdöpfel» fünf Franken in die Kasse. Bei einem Neuner – auch Kranz oder Babeli genannt – sind 50 Rappen für die Kasse fällig. Die Verlierer (die schlechtere Hälfte) zahlen drei Franken. Und auch wer zu scharf schiesst und damit die Kegelautomatik unterbricht, wird mit einem Franken Bussgeld bestraft. In der zweiten Runde wird in Teams gespielt. Auch hier sind verschiedene «Gebühren» fällig. Die dritte Runde ist das sogenannte Hausnummern-Spiel. In einer detaillierten Statistik wird seit Jahren Buch geführt über erzielte Resultate und in die Vereinskasse abgelieferte Beträge.
In einem Kegelverband war der Baarer Club nie, die Kegler messen sich aber seit 1991 regelmässig mit dem Kegelklub Vorstadt 16 Altdorf. Entstanden ist der Kontakt über Othmar Andermatt. Der ehemalige Gemeindepräsident und Ständerat hatte damals den Kontakt über den Urner FDP-Nationalrat und Kegler Alfred Weber hergestellt. 1999 und 2000 nahm der Kegelclub zudem am Hans-Waldmann-Cup teil. Bei der zweiten Durchführung ging der Sieg an den ältesten Kegelclub der Schweiz, wie sich die 1895-Kegler selbstbewusst nennen. Der zweimal durchgeführte Wettstreit von Kegelteams mit klingenden Namen wie Club Orient, Schweppes Club, oder Bandenklöpfer war quasi das letzte Aufbäumen vor dem Niedergang des Kegelsports in Baar: Im Jahr 2003 wurde bekannt, dass der Hans Waldmann geschlossen und abgerissen wird. Damit verschwand die letzte Kegelbahn im Dorf. Früher gingen die Kegler im Gotthard, im Kreuz oder im Bahnhof ihrem Hobby nach, wobei es regelmässig Beanstandungen wegen schlecht gewarteter Bahnen oder ungenügend geheizten Räumen gab. Im Jahr 1908 stand gar zur Diskussion hinter der Brauerei eine eigene Kegelbahn zu bauen. Brauerei-Chef und Vereinsmitglied Christian Buck hätte Land zur Verfügung gestellt. Schweren Herzens verlagerte der Kegelclub Baar im Jahr 2004 seinen Klubabend ins Zugertor in der Stadt Zug, wo mit Zeno Friedli jener Wirt tätig war, der früher das Hans Waldmann geführt hatte. Noch heute trifft sich der Verein jeden Montag im mittlerweile in Chez Ladure umgetaufte Restaurant.
Mitglieder KC1895 2020
Auch wenn der Kegelclub 1895 Baar mittlerweile im stadtzugerischen Exil seinem Sport nachgeht, er bleibt durch und durch ein Baarer Verein. Das zeigt sich nur schon daran, dass mit Othmar Andermatt, August (Gus) Gysi, Marcel Feuchter, René Tomic, Albert Wismer und Andreas Hotz sechs der neun Mitglieder Räbeväter sind. Und auch der im Juli 2020 verstorbene Anton Waltenspühl war einmal der höchste Baarer Fasnächtler. Komplettiert wird der Verein mit Gottfried Zürcher aus Menzingen (dem einzigen Nicht-Baarer), Alex Schmid und Bürgerpräsident Oskar Müller. Zürcher, der mit 35-jähriger redlicher Finanzverwaltung sicher am längsten amtierende Säckelmeister, ist mit Eintrittsjahr 1976 das treuste, Othmar Andermatt mit Jahrgang 1922 das älteste Mitglied des «in der zivilisierten Welt wohl einmaligen Clubs», wie es im Protokoll der Generalversammlung 1990 heisst. Für seine aussergewöhnlichen Verdienste als Präsident über fast 15 Jahre, als Hoffotograf, Filmer, Reiseleiter, Autor der Club-Zeitschrift «Baarer Times», Grafiker und Clubfreund wurde Gus Gysi an der Generalversammlung 2016 zum Ehrenpräsidenten ernannt. Dass der Kegelclub 1895 Baar etwas Besonderes ist, dessen war sich August Gysi – Vater des ersten und einzigen Ehrenpräsidenten – schon im Jahr 1970 anlässlich der 75-Jahr-Feier bewusst. Der Kegelclub sei «ein fröhlicher Männerhock», ein «Sorgenbrecher», der «das Kind im Manne noch heute am besten anspricht». Wieso das so ist, diese Antwort bleibt er schuldig: «Meine Damen und Herren, dies ist ganz einfach ein Phänomen. Es steht uns nicht zu, hierfür eine gescheite Erklärung zu finden. Es ist etwas Erstaunliches und Erfreuliches zugleich, vielleicht sogar das Geheimnis des Kegelklubs Baar 1895.»
(c) 37. Baarer Heimatbuch 2019/2020, Autor Silvan Meier, Historiker und Kommunikationsfachmann, Baar
Literatur
Archiv der Einwohnergemeinde Baar, P14, Vereinsarchiv Kegelclub 1895 Baar (1895-2007).
Philippe Bart: «Die Zeit sei daher wohl recht ungünstig für einen Radau». In: Tugium 34 (2018), S. 153-166.